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Manfred Chobot: "Fratzen oder Der Horizont ist krumm", 1983

Fratzen oder Der Horizont ist krumm

Franz Schwarzingers Arbeiten sind Aufzeichnungen, Notate der Wirklichkeit, ein Aufschrei gegen Ungerechtigkeit, Haß, Heuchelei. Die Realität macht es einem Realisten nicht leicht, wenn er den Menschen in seiner Existenz ernst die täglichen Nachrichten jeden Krimi an Spannung. ist Graf Draculas Blutgier gegen die steigende Arbeitslosigkeit im Vergleich zu der existierenden atomaren Bedrohung. ist uns aus den Medien vertraut, wir sind längst nicht mehr imitiert davon. Schrecklich. Der Schrecken ist zur Gewohnheit zur allgegenwärtigen Realität geworden.

Vielleicht lebt es sich einfacher nach dem Motto: nichts hören, nichts sehen, nichts reden. Aber Schwarzinger ist nicht taub, nicht blind, nicht stumm. Schönfärberei ist seine Sache nicht. Er retuschiert die Welt nicht, sondern bietet ihr die Stirn. Hält ihr seine Bilder entgegen.

Schwarzingers Porträts und „Kopftücher“, seine unförmigen Körper und wasserköpfigen Wesen sind Abbilder von geschundenen, mißhandelten Kreaturen. Sinnbilder. Trotzig verziehen sie die Fratze. Ihr Widerstand erschöpft sich im Zungen zeigen. Das Entsetzen ist ihnen ins Gesicht gezeichnet. Perchten , die sich tanzend und springend gegen Geister und dem bösen Blick zur Wehr setzen versuchen. Wenn sie sich bewegen, fliegen, flitzen, tun sie das mit einer zynischen Verkrampftheit, denn die Zukunft verheißt wenig Gutes. Franz Schwarzinger verzeichnet die Deformationen, scheut die Auseinandersetzung nicht. Oft verwundet er beim Zeichnen das Papier.

Schwarzinger geht von der Natur oder einem Foto aus, ohne allerdings auf Porträtähnlichkeit Wert zu legen. Die so entstandene Zeichnung dient ihm dann als Vorlage für eine neue; diese wieder für eine weitere. Als endgültig betrachtet wird meist das fünfte bis achte Blatt einer derartigen Kette, wobei die „Entwicklungsstufen“ vernichtet werden.

Die Umrisse von Schwarzingers Figuren passen sich ihren jeweiligen Lebenslagen an. Sie sind Kugeln oder Streichhölzer, die mit ihren Winkelarmen oder Parallelkonturen Bedürfnisse ausdrücken, ohne Rücksicht auf ihre Anatomie. Manche teilen sich eine gemeinsame Linie, um ineinander zu verschmelzen, umarmt erträgt sich alles leichter.

Während im Spiegelkabinett die Leute über ihr Aussehen lachen, ringen sich im Angesicht von Schwarzingers Zeichnungen nur eingefleischte Zyniker ein Grinsen ab. Die Dimensionen haben jegliche Gültigkeit aufgegeben. Da hocken die Schutzsuchenden in irgendeinem kahlen Raum, dessen Wände zurückzuweichen scheinen, um der Enge mehr Nachdruck zu geben und ihre Opfer um so heftiger einzuschließen. Vielen fehlt der Boden unter den Füßen; einige tuscheln und versprechen sich davon Geborgenheit, Hauptsache irgendeine Beziehung. In den beweglichen Gummizellen sind amtliche Gesetze von Stabilität aufgehoben. Sinnlose Muster, zur Nutzlosigkeit verurteilt, halten den .Widerspruch von Schönheit aufrecht. Für den Notfall baumelt der Draht einer nackten Glühlampenfassung als Schlinge von der Decke. Das Geschlecht der Gestalten ist ohne Belang und jederzeit austauschbar, Mann und Frau sind gleichermaßen betroffen. Auch ein Mann kann eine Frau gebären. Schwarzingers Individuen treten nackt auf, sie haben keine Gelegenheit, sich hinter ihrer Kleidung zu verbergen, nackt sind sie einander ähnlicher, die Bedrohung gilt für alle, für Banker wie für Punker.

Vom Paradies scheint die Menschheit weiter entfernt als je zuvor. Die Realität ist grausam. Franz Schwarzingers Bilder sind schön.

Manfred Chobot, Schriftsteller

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